Ildiko Barna erscheint braun gebrannt zum Interview. Die Trainerin der BVB-Handballdamen hat die EM-Pause in der Bundesliga genutzt, um auf den Kanaren Kraft und Sonne zu tanken. Mit Dirk Krampe und Gerd Strohmann sprach die 55-Jährige über die bisherige Saison, ihren neuen Vertrag bis 2019 und ihre Erwartungen für die restliche Saison.

Warum war der Zeitpunkt für eine Vertragsverlängerung jetzt genau richtig?

Ich bin jetzt zweieinhalb Jahre hier, wir haben viele Veränderungen angestoßen. Es ist eigentlich ganz einfach: Bis jetzt hat es mir beim BVB sehr viel Spaß gemacht, wir haben eine Entwicklung genommen und wollen jetzt die nächsten Schritte gehen.

Gab es andere Angebote?

Ja, die gab es. Es war Interesse da, weil andere Vereine auch wissen, dass gewisse Spielerinnen dann vielleicht mit mir gehen würden. Aber Borussia Dortmund bietet viel. Wir haben einen Präsidenten, der hinter uns steht, das ist mir sehr viel wert. Wir wollen uns strukturell noch besser aufstellen. Da entsteht viel im Moment, und ich wäre dann doch verrückt, wenn ich das Angebot nicht annehmen würde, wenn es kommt.

Das heißt aber auch, dass Ihre Erwartungen eingetroffen sind?

Das kann man sagen. Ich bin gekommen und sollte aufsteigen, das haben wir sofort geschafft, trotz der großen Probleme mit Verletzungen. Dann haben wir ein sehr gutes erstes Erstliga-Jahr gespielt. Da konnte keiner meckern. Ich sehe die Vertragsverlängerung als Honorierung meiner Arbeit, aber auch ich bin sehr zufrieden, wie es gelaufen ist.

Aber Sie sehen sich noch nicht am Ziel Ihrer Mission?

Jede Entwicklung braucht ihre Zeit. Wir haben schon einiges bewegt. Ich bin begeistert von unseren Talenten. Die strukturellen Veränderungen, die wir im Trainerteam angestoßen haben, wollen wir weiterführen. Ohne die gute Zusammenarbeit mit meinen Trainerkollegen beim BVB wären wir nicht so weit, das muss man klar sagen. Irgendwann wollen wir dann mit der ersten Mannschaft oben ankommen.

Wo wäre denn da die Grenze?

Langfristig unter die ersten Drei zu kommen, ist realistisch. Wenn es sehr gut läuft, hätte ich nichts gegen Platz zwei. Oder Platz eins, das habe ich ja in meiner Karriere noch nicht geschafft (lacht).

Kann man denn angesichts der Rahmenbedingungen gegen Teams wie Bietigheim konkurrieren?

Bietigheim ist ein anderes Kaliber, aber schauen Sie unsere Nationalmannschaft bei der EM an. Da gab es nicht den einen Star, da gab es viel Teamgeist. Und das ist vergleichbar mit unserer Mannschaft, mit den Prinzipien, die ich verfolge. Man kann mit Einstellung und Teamgeist einiges wettmachen.

Ging Ihnen das Herz auf, wenn Sie „Ihre“ drei Dortmunderinnen bei der EM gesehen haben?

Ja, das hat uns alle stolz gemacht. Als der DHB damals mit Jacob Vestergaard gearbeitet hat, wurden wir Bundesliga-Trainer gefragt, welche Spielerinnen wir in der Zukunft dort sehen. Es gab einige Bedenken bei meinen Kollegen Clara Woltering gegenüber, weil sie ja angekündigt hatte, sich beruflich zu Hause stärker einbringen zu müssen. Ich bin sehr stolz auf ihre Antwort bei diesem Turnier, und natürlich auch auf die Leistung von Svenja Huber und Stella Kramer.

Wie gut ist es auch für Ihre Arbeit in Dortmund, dass bei der EM zwei absolute Leistungsträgerinnen aus Dortmund kamen?

Ich glaube schon, dass das einen Imagegewinn auch für den BVB bringt. Ich würde auch Stella nicht ausklammern. Wir alle hätten doch damals, als ich kam, nie gedacht, dass aus ihr eine Nationalspielerin wird. Sie selber ja auch nicht. Insgesamt spüre ich auch im Verein, dass sich was bewegt. Das ist sehr positiv. Es gibt aber leider auch einen Nachteil.

Welchen?

Du fällst erst einmal in ein Loch, das ist ganz normal nach so einem Turnier, das passiert unterbewusst. Du kehrst in den Alltag zurück. Der ist ziemlich grau und du denkst, ach ja, jetzt also wieder Meisterschaft. Eigentlich können wir uns das nicht erlauben. Ich wünsche mir, dass die Drei mich Lügen strafen. Wir brauchen sie.

Der Spielplan sieht am 28. und 30. Dezember zwei wichtige Spiele gegen Blomberg und in Leverkusen vor. Wie sieht der Fahrplan bis dahin aus?

Wir haben zehn Tage freigemacht. Das war wichtig für alle, auch für mich. Die Mädels sagen schon, ich solle öfter wegfahren, ich wäre viel netter gerade (lacht). Jetzt trainieren wir also wieder, am Donnerstag spielen wir einen Test gegen die Juniorinnen-Nationalmannschaft Hollands. Dann ist Weihnachten. Aber am 26. sind wir wieder in der Halle, ich denke, dann werden auch die Nationalspielerinnen einsteigen.

Konnten auch die Verletzten die Pause nutzen?

Alina Grijseels ja, sie macht schon wieder leichtes Training, sie wirft. Probleme hat sie nicht mehr, aber sie muss das grüne Licht vom Arzt bekommen, um wieder voll mitmachen zu können. Wenn es das in dieser Woche gibt, könnte sie vielleicht sogar für die beiden Spiele eine Option sein.

Bei Carolin Schmele sieht es nicht so gut aus?

Sie hat noch einmal alles probiert, sie war beim Osteopathen, war bei den Physios. Sie hat keine Schmerzen im normalen Leben, aber ich habe ihr gesagt, dass sie sehen muss, richtig gesund zu werden, weil es uns nichts bringt, wenn sie zwei Spiele macht und dann wieder drei Monate fehlt. Wir alle sind unglücklich, dass es nicht schneller geht. Ich würde es ihr und uns wünschen. Aber man braucht viel Geduld bei ihrer Verletzung, das hat man ja auch bei Marco Reus gesehen. 

Die Saison war insgesamt nicht einfach. Würden Sie nach dem Sieg in Neckarslum sagen, der BVB ist dennoch im Soll?

Ja, angesichts der vielen Probleme sind wir das. Ich kann die Mädels auch loben, wir konnten nicht erwarten, dass eine Spielerin aus der 3. Liga wie Harma van Kreij eine Nadja Nadgornaja sofort ersetzen kann. Wir haben insgesamt zuletzt deutliche Fortschritte gemacht, vor allem auch, was die Abwehrarbeit angeht. Daher bin ich optimistisch.

Sie haben schon im Sommer vorhergesagt, in der Rückrunde werde es mehr Punkte geben…

Es ist ein Prozess. Für alle. Über Claras lange Anspiele auf Svenja Huber bei der EM zum Beispiel habe ich mich sehr gefreut. Ich habe sie vor der EM-Pause kritisiert, weil ich das von ihr öfter sehen wollte. Sie hat aber nicht geschmollt, sie hat an sich gearbeitet. Das ist klasse. Ich bleibe dabei, dass wir in der Rückrunde mehr Punkte holen werden. Alina wird bald wieder da sein, und ich sehe insgesamt, dass wir uns in der Besetzung besser einspielen. Rafika Ettaqi hat die Pause auch sehr gut getan. Sie ist kaum wiederzuerkennen. Darüber bin ich sehr glücklich. Langsam funktioniert es.

Wann beginnt die Weichenstellung für die neue Saison?

Die Planungen laufen schon. Wir setzen uns zum Beispiel jetzt schon mit den Jugendtrainern zusammen. Wir haben endlich das positive „Problem“, dass wir viele gute Spielerinnen im Nachwuchs haben. Wie führen wir die heran? Vanessa Brandt, Dana Bleckmann, Leonie Kockel, solche Spielerinnen wollen wir dann ab Sommer noch stärker in unser Training einbinden und sehen, wie sie sich dann weiterentwickeln. Natürlich sprechen wir bald auch mit den aktuellen Spielerinnen und schauen auch, ob wir uns extern verstärken können.

Wo besteht vor allem Bedarf?

Auf jeden Fall im Rückraum. Man muss abwarten, was mit Caro passiert, Nadja Nadgornaja bekommt bald ihr Baby, auch da müssen wir schauen, wie schnell sie wieder dabei sein kann.

Welche Überraschung schenken Sie sich zu Weihnachten?

(lacht) Das müssen wir abwarten. Wir sprechen mit Spielerinnen, es ist bekannt, dass wir gerne jemanden holen würden. Aber es zieht sich wie Kaugummi. Alle wollten zunächst die EM abwarten. Und es muss Sinn machen.

Könnte also auch sein, dass Sie im Winter niemanden holen?

Das ist auch möglich.

Befürchten Sie, dass die Leistungen Ihrer Nationalspielerinnen Begehrlichkeiten wecken könnten?

Das wird so sein. Auch bei anderen Leistungsträgerinnen wie Anne Müller. Aber mein Gefühl ist ganz positiv.

Blicken wir in die nähere Zukunft. Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Mannschaft für die Rückrunde?

Ich wünsche mir, dass wir die Probleme mit den Verletzungen hinter uns lassen können. Ich fordere und wünsche mir, dass wir weiter mit Herz und Leidenschaft spielen. Das wird für uns die Grundlage bleiben.

Gerd Strohmann und Dirk Krampe - Foto: Florian Groeger (Ruhr Nachrichten)