Svenja Huber hat ereignisreiche Wochen hinter sich. Mit der Nationalmannschaft spielte sich die 31-jährige Rechtsaußen von Borussia Dortmund auf Rang sechs bei der EM. Anschließend bog sie mit dem BVB auch in der Liga auf die Erfolgsspur. Im Interview berichtet Huber vom schwarzgelben Aufwärtstrend, den Erlebnissen im DHB-Team und was sie an der Stadt Dortmund am meisten schätzt.

Es macht Spaß, im Moment auf die Tabelle zu schauen!

Ja, definitiv. Aber man muss das auch relativieren, denn einige Mannschaften haben erst zehn Spiele absolviert und wir bereits elf. Es können also ein paar Teams noch an uns vorbeiziehen. Aber es zeichnet sich ab, dass Thüringen, Bietigheim und Metzingen vorneweg laufen. Und gleich dahinter spielen wir schon mit, das macht auf jeden Fall Spaß. 

Was machen Sie im Moment richtig?

Ich glaube, dass wir schon ziemlich lang viel richtig machen und es zusammengewachsen ist. Bei den einzelnen Spielerinnen sieht man, dass sich individuell viel in die richtige Richtung bewegt.

Gilt es auch für Sie, dass Sie ein paar Monate Anlaufzeit benötigt haben, um dort zu sein, wo Sie hinwollen?

Ja, auf jeden Fall. Zum einen bin ich auf meiner Position als Außenspielerin auf meine Nebenleute und eine gute Abwehr angewiesen. Und ich finde es auch ganz legitim, dass man ein wenig Eingewöhnungszeit braucht, wenn man neu in ein Team kommt. Da ist es auch egal, ob man Nationalspielerin ist, oder nicht. So etwas braucht einfach Zeit. 

Wie groß war denn die Umstellung, von Thüringen nach Dortmund zu gehen?

Spielerisch war es schon eine große Umstellung, es ist schon ein qualitativer Unterschied. Aber das war ja auch genau das, was ich wollte. Dortmund will Schritt für Schritt weiter nach oben und ich möchte das mit aufbauen. Es ist schön, jetzt schon zu sehen, dass wir einen guten Weg haben und den behutsam gehen und auch mal einen Favoriten wie Buxtehude schlagen können.

Sehen Sie Ihre Erwartungen nach einem halben Jahr schon als erfüllt?

Ja! Meine Rolle als Führungsspielerin passt gut und ich fühle mich menschlich in der Mannschaft absolut wohl und richtig gut aufgenommen. Wir machen privat auch richtig viel, das ist ein netter Nebeneffekt. Hier gibt es keine Starallüren und niemand blafft den anderen an, weil ein Wurf danebengeht. Hier wird nur gepusht und sich gegenseitig geholfen. 

Wie wichtig ist Ildiko Barna als Trainerin für euch?

Sehr wichtig, das hat der Verein mit der Vertragsverlängerung auch unterstrichen.

Was ist das Besondere an ihr im Vergleich zu den anderen Trainern, die Sie bislang hatten?

(schmunzelt) Auch wenn sie es nicht gerne hört, denke ich, dass das Osteuropäische in ihr das Besondere ist. Sie hat diese harte Schule verinnerlicht und weiß auch genau, wann sie angebracht ist. Auf der anderen Seite sieht sie auch den Menschen – man kann sich 24 Stunden mit allem bei ihr melden, das ist keineswegs selbstverständlich.

Was zeichnet die Mannschaft aus?

Das Mannschaftsgefüge – auf und neben dem Feld – steht ziemlich weit oben. Und jeder hat verstanden, dass der Verein die nächsten Schritte nach oben gehen will. In der Vorbereitung haben sich manche noch gewundert, wieso wir zwei Mal am Tag trainieren. Aber mittlerweile hat jeder realisiert, dass das nötig ist.

Zuletzt konnten Sie sich über hohe Zuschauerzahlen freuen. Wünschen Sie sich noch vollere Hallen?

Wenn es zumindest so bleiben würde wie in den vergangenen beiden Heimspielen, wäre das schon ziemlich optimal. Es macht halt einfach einen riesigen Unterschied, wenn man einläuft und man sieht 1200 bis 1800 Zuschauer auf der Tribüne, oder wenn man einläuft und sich beim Blick auf die Ränge fragen muss, ob das überhaupt jemanden interessiert. 

Würden Sie sagen, dass die Fans nach nun sechs Monaten die richtige Svenja Huber sehen?

(lacht) Also die richtige Svenja Huber haben sie von Anfang an gesehen. Aber sie sehen jetzt bestimmt eine etwas leistungsstärkere Version von mir als zu Saisonbeginn.

Wie sehr hat Ihnen auf diesem Weg die Nationalmannschaft geholfen?

Sie hat schon sehr geholfen, weil meine Rolle dort noch ein wenig ausgeprägter ist. Und ein Event wie die Europameisterschaft im Dezember pusht einen zusätzlich noch einmal enorm. Das waren vier erfolgreiche Wochen, die wie im Fluge vergangen sind. Aber was in dem Team in dem halben Jahr entstanden ist, seit Michael (Biegler, Anm. d. Red.) Trainer ist, beeindruckt mich. Meine Rolle dort ist für mich unbezahlbar und das nehme ich dann auch mit nach Dortmund.

Ildiko Barna hatte berechtigte Befürchtungen, dass die Nationalspieler nach dem Turnier in ein Leistungsloch fallt. Aber nach den jüngsten Auftritten scheint sich das nicht zu bewahrheiten …

Die ersten sieben bis zehn Tage waren schon ein wenig kritisch. Aber für mich persönlich war es auch gut, dass da noch die Weihnachtstage kamen, an denen ich in der Heimat auch mental einfach mal abschalten konnte. Denn die Lust auf Handball war schon ein wenig gemindert. Aber über die Feiertage hat sich das ganz schnell wieder relativiert. Dass wir anschließend positive Ergebnisse eingefahren haben, kommt noch verstärkend hinzu.

Laden die drei jüngsten Siege ein wenig zum Träumen ein?

Mich nicht, und ich hoffe auch sonst niemanden. Unsere Trainerin ordnet das absolut richtig ein und sorgt dafür, dass keiner in irgendeiner Weise abhebt. Dazu gibt es keinen Grund und die Leistung ist auch noch nicht stabil genug, um höhere Ziele anzumelden.

Wann ist der BVB denn so weit, dass er ganz oben anklopfen kann?

Ich glaube, gute zwei Jahre sollte man sich dafür schon nehmen. Man könnte natürlich im Sommer auch einen halben neuen Kader kaufen, aber das ist nicht der Dortmunder Weg. Wir sollten da lieber auf dem bisherigen Weg bleiben und Stück für Stück gehen. Das ist auch eher Ildiko Barnas Stil.

Wie wichtig ist Dr. Reinhard Rauball als Fürsprecher für die Handball-Abteilung?

Es ist für uns schon ein richtig schönes Gefühl, dass Dr. Rauball sich so für uns interessiert. Man merkt ihm an, dass es für ihn keine Pflicht ist, sondern dass er das gerne macht. Er begrüßt uns vor dem Spiel und gratuliert uns anschließend. Man spürt einfach, dass er das von Herzen gerne macht.

Ildiko Barna hat zu Beginn der Saison gesagt, dass die Mannschaft in der Rückrunde noch stärker wird. Sehen Sie das auch so?

Auch Ildiko wusste, dass wir erst noch wachsen müssen. Wenn man das in Ruhe machen kann, ist es umso besser. Ich glaube, dass wir als Mannschaft jetzt einfach gefestigter sind und auch mal einen Favoriten wie Buxtehude ärgern können. Aber das heißt auch, dass wir uns ein Unentschieden wie gegen Bad Wildungen nicht mehr erlauben können.

Schauen Sie denn nach den ganzen intensiven Wochen abends noch die Handball-WM der Männer oder haben Sie nach dem Training erst mal genug vom Handball?

(schmunzelt) Vom Handball definitiv nicht. Darum war ich auch relativ froh als die Meldung kam, dass man die Spiele doch irgendwo sehen kann. Bei uns und auch bei der Männer-EM hat man zuletzt gemerkt, dass die Stimmung und der Hype auch nach Hause überschwappen können. Darum freue ich mich, die WM schauen zu können.

Und was sagen Sie dazu, dass es den Europameister nur im Internet zu sehen gibt und nicht im Fernsehen?

Das ist schon ein kleines Drama, da kann man nichts dran schönreden. Im Internet schalten ja ohnehin nur die Leute ein, die von vornherein interessiert sind. Da kommt man nicht durch Zufall beim Durchschalten drauf, das tut dem Sport nicht gut.

Vor allem auch mit Blick auf die Frauen-WM im eigenen Land im Dezember: Müssen die Verantwortlichen nicht schnell umdenken und dann übertragen?

Es wäre zumindest schön. Bei der EM gab es ja kurzfristig doch was auf Sport1 zu sehen, nachdem wir durchaus erfolgreich gestartet sind. Ich hoffe doch sehr, dass sich da zeitnah etwas bewegt.

Haben Sie denn schon Freundschaft mit der Stadt Dortmund geschlossen?

Auf jeden Fall! Viele haben mich gefragt, was ich denn im Ruhrpott wolle. Aber ich finde, dass richtig Leben in der Stadt ist. In Erfurt ist es architektonisch richtig schön, aber auch deutlich ruhiger. Hier in Dortmund kann man um 22 Uhr noch zum Kiosk, um sich eine Zeitung zu kaufen oder irgendwas unternehmen. Das gefällt mir persönlich einfach besser. Und BVB-Fan war ich ohnehin schon.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten …

… dann wäre es aus sportlicher Sicht sehr gut, wenn wir den Weg weitergehen, den wir eingeschlagen haben. Spätestens am Sonntag gegen Buxtehude hat man gemerkt, dass es der richtige Weg ist. Für mich persönlich wünsche ich mir, dass ich meine Bachelorarbeit demnächst abgeben kann und für die Gesellschaft würde ich mir wünschen, dass alle ein wenig zur Vernunft kommen und nicht jeder nur sich selbst sieht. Wenn alle wieder mehr zusammenleben, wäre das schön.

Gerd Strohmann und Enrico Niemeyer (Ruhr Nachrichten)