Aufopfernd gekämpft, alles gegeben, in der zweiten Hälfte eine schier unglaubliche Aufholjagd gestartet. Und dabei den hohen Favoriten aus Dänemark, das Team Esbjerg, bis zur letzten Sekunde eines hochspannenden Spiels gefordert. Die Handball-Damen des BVB durften trotz der 29:32 (14:20)-Niederlage erhobenen Hauptes die Helmut-Körnig Halle verlassen. 650 Fans feierten die Dortmunderinnen für ihren engagierten Auftritt im vorletzten Champions-League-Spiel des Jahres. "Ich bin stolz auf meine Mannschaft, dass ich das hier gegen solche eine Weltklasse-Mannschaft wie Esbjerg miterleben darf", resümierte ein sichtlich zufriedener Dortmunder Trainer André Fuhr.

Sehen so Verliererinnen aus? Nein, ganz und gar nicht. Mit 29:32 (14:29) hatten die Handball-Damen von Borussia Dortmund zwar das Spitzenspiel der EHF Champions League gegen den Gruppenzweiten Esbjerg verloren, doch die 650 Fans in der Helmut-Körnig-Halle feierten das Ergebnis wie einen Sieg. Zu recht. Denn die Dortmunderinnen hatten den favorisierten Däninnen alles abverlangt, lange verlief die Partie absolut ausgeglichen. Und in der zweiten Hälfte setzten die Borussinnen zu einer unglaublichen Aufholjagd an. Am Ende setzte sich die individuelle Klasse und der ausgeglichen und stark besetzte Kader der Däninnen durch. Beim BVB schwanden verständlicherweise die Kräfte. "Mit drei Toren gegen Esbjerg zu verlieren, das ist absolut in Ordnung. Wir haben eine superstarke zweite Hälfte gespielt", erkläre BVB-Kapitänin Alina Grijseels.

Es gab gute und schlechte Nachrichten vor dem Anpfiff. Zum ersten Mal in dieser Champions League-Saison kamen die Dortmunderinnen in den Genuss, vor einer ansprechenden Kulisse zu spielen. Gut 650 Fans waren gekommen, um das Top-Spiel in der europäischen Königsklasse live mitzuerleben. Und gute Nachrichten gab's noch in Sachen Konkurrenz: Bereits am Samstag hatte Podravka Vegeta, Hauptkonkurrent um Platz sechs, gegen Rostov Don verloren. Damit steht der BVB weiter mit einem Bein in der Zwischenrunde der Champions League. "Das ist eine gute Nachricht. Wenn wir Platz sechs halten, sind wir weiter. Darauf bin ich stolz", so Alina Griseels.

Aber es gab auch weniger gute News: Kreisläuferin Merel Freriks war kurzfristig ausgefallen - am Sonntagmorgen war ihr Corona-Schnelltest positiv. "Sie ist geimpft und zeigt nur leichte Symptome. Jetzt warten wir auf das Ergebnis des PCR-Tests", erklärte André Fuhr. Freriks muss voraussichtlich für eine Woche in Quarantäne.

Der anschließend vorgenommene Corona-Schnelltest bei allen anderen Spielerinnen verlief negativ. "Die Regularien der EHF sehen vor, dass wir trotzdem spielen müssen. Natürlich war das schon ein komisches Gefühl", so André Fuhr. Der Ausfall von Freriks fiel ins Gewicht, der schon vor der Partie extrem kleine Kader wurde damit noch weiter dezimiert. Und auch die Spielberechtigung für die polnische Nationalspielerin Paulina Uscinowicz lag noch nicht vor. Borussen-Coach André Fuhr musste noch etwas mehr improvisieren als in den vergangenen Wochen: "Merel ist ein ganz wichtiger Baustein in unserem Spiel, der nun fehlte. Auch wenn Mie Sando ihre Sache am Kreis gut gemacht hat."

Wie hatte André Fuhr es noch formuliert? "Ich mag Esbjerg sehr. Ich finde, dass sie sehr attraktiven Handball spielen, viel Tempo, sehr variabel." Dem konnte man nur beistimmen. Großgewachsen, athletisch, technisch versiert. So stellte sich das Weltklasse-Team aus Jütland in Dortmund vor. Ein wirkliches Ausnahmeteam mit der Norwegin Henny Reistad als echte Führungspersönlichkeit.

Zwar dauerte es einige Minuten, bis sich die Däninnen warm gespielt hatte, doch nach 13. Minuten hatten sie zum 8:8 ausgeglichen, gingen kurz danach mit 9:8 zum ersten Mal in Führung und spielten in der Folgezeit einen unglaublich konzentrierten und effektiven Handball. Für die 650 Fans hatte sich allein schon deswegen der Besuch dieser Handball-Gala gelohnt.

Und die Handball-Damen von Borussia Dortmund? Gegenüber den ersten 45 Minuten der Pokalpartie in Blomberg zeigten sie eine erstaunliche Leistungssteigerung, lagen in den ersten zehn Minuten mit 6:4 in Führung und mussten erst in Spielminute 14 den Ausgleich zum 8:8 hinnehmen. Herausragend Außenspielerin Jennifer Gutiérrez und die seit Wochen stark spielende Kapitänin Alina Grijseels mit einigen sehenswerten Unterarmwürfen.

Als Esbjergs Ingstad aber in der 25. Minute ins leere BVB-Tor zum 18:13 traf, da war die Luft etwas raus. Der extrem kleine Kader zeigte aufgrund der hohen Intensität Müdigkeitserscheinungen. Als Alina Grijseels 90 Sekunden vor Schluss zudem noch für zwei Minuten auf die Bank musste, fehlte dem BVB die klare Linie. André Fuhr versuchte zu retten, was zu retten war, nahm Sekunden vor dem Halbzeitpfiff ein zweites Time Out, doch bis zur Pause erhöhten die Däninnen auf 20:14. "Sechs Tore Rückstand zur Pause waren einfach ein paar zu viel, aber wir haben in der Kabine gesagt, dass wir nochmal richtig Gas geben wollen", so Alina Grijseels.

Im zweiten Durchgang kam Yara ten Holte für Madita Kohorst ins Tor, sofort parierte die junge Niederländerin einige Bälle, hielt einen Siebenmeter. Und der BVB verteidigte offensiver, zog Kücükyilidiz vor die Abwehr und glich nach nur sechs Minuten durch Alina Grijseels zum 20:20 aus. Die Partie war wieder offen. Der BVB spielte befreit auf, so wie es Trainer André Fuhr nach dem Weiterkommen im Pokal gefordert hatte. Ja, es lag sogar eine Sensation in der Luft, als Jennifer Gutiérrez nach 38. Minuten den BVB mit 21:20 in Führung warf.

Der BVB kämpfte, ging in die Zweikämpfe, forderte den haushohen Favoritinnen aus Dänemark alles ab. "Der BVB ist eine große Mannschaft, hat meinen Respekt. In der zweiten Hälfte mussten wir alles geben", so Esbjergs Coach Jesper Jensen.

Zehn Minuten vor Schluss war noch alles drin, zwar verloren beide Teams ihre spielerische Linie, doch der BVB blieb dran. Vier Minuten vor Abpfiff traf Alina Grijseels zum 27:30-Anschluss per Siebenmeter, Tina Abdulla schaffte 120 Sekunden vor Schluss das 28:31. Als Yara ten Holte eine Minute vor dem Ende einen Siebenmeter parierte, standen die Fans auf und feuerten den BVB an. Mehr als das 29:32 durch Mia Zschocke war aber trotz großen Kampfes der Borussinnen nicht mehr drin.

BVB: Kohorst, ten Holte; Berger (2), Grijseels (8/2), Sando (3), Zschocke (3), Moreno, Kücükyilidiz (1), Abdulla (3), Gutiérrez Bermejo (5), van der Heijden (4), Rønning