Im ersten Teil unseres großen Sommerinterviews zog Cheftrainer André Fuhr eine Saison-Bilanz und hat einen kleinen Blick nach vorne geworfen. Im zweiten Teil spricht der 50-Jährige darüber, was er beim deutschen Vizemeister in Zukunft konkret verbessern will und wie die nächsten Monate vor dem Start in die neue Bundesliga-Saison aussehen.

Der BVB ist deutscher Vizemeister. Doch was gilt es außerhalb des Spielfeldes zu verbessern?

Wir haben ein unglaubliches Potenzial. Aber es spielt auch eine Rolle, ob wir ein Champions-League-Spiel in Dortmund vor 300 Zuschauern machen, oder in Budapest vor 2500 oder in Brest oder Rostov vor 3500 Fans spielen. Das ist ein Problem. Wir haben keine Fankultur im Handball. Wir haben nicht diesen Zuspruch. Ich glaube, wir sind Drittletzter der HBF-Zuschauertabelle. Und das als amtierender Deutscher Meister, da klingeln bei mir schon alle Alarmglocken. Da müssen wir was machen.

 

Das ist alles?

Nein, wir liegen in den Strukturen, auch Bietigheim und Dortmund, Lichtjahre hinter dem internationalen Niveau: Arena, Seminarräume, Kraftraum, Infrastruktur. Wir sind quasi nicht wettbewerbsfähig. Wir machen das Beste daraus, aber da ist die Spielerin in Budapest oder Bukarest deutlich besser aufgehoben. Diesen Wettbewerbsnachteil müssen wir kompensieren. Auch in den Gehältern können wir im internationalen Vergleich nicht mithalten. Eine Spielerin, die in der Champions League Leistungsträgerin ist, ist für uns nicht bezahlbar.

 

Was muss sich ändern?

Ich denke, es muss eine gewisse Hauptamtlichkeit, eine gewisse Professionalisierung geben. Im internationalen Vergleich ist Frauensport in Deutschland nicht so anerkannt, dabei steht er in der Spitze dem Männersport in nichts nach. Wir trainieren genauso oft wie ein Männerbundesligist. In Ungarn oder Dänemark werden die Spiele alle im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen, in Deutschland wird selbst ein Weltmeisterschaftsspiel nicht übertragen, geschweige denn ein Champions-League-Spiel. Das hat enorme ökonomische Auswirkungen. So drehst du dich im Kreis.

 

Was würdest du verbessern in der kommenden Saison?

Ich glaube, wir müssen die Belastung Champions League und Bundesliga noch besser bearbeiten, auch mental. Wir haben über 90 Videositzungen gemacht, das ist für die Spielerinnen eine unheimliche Belastung. Die körperliche Belastung ist schwierig zu reduzieren, unser Kader war klein. Jeden dritten Tag kommt ein Spiel. Am Mittwoch müssen wir in der Bundesliga gewinnen, um dranzubleiben. Und am Wochenende in der Champions League müssen wir eine Topleistung bringen, sonst kriegen wir richtig auf die Mütze.

 

Was ist dein Ziel für die Saison 2022/23?

Wir wollen lange dranbleiben an Bietigheim, wollen möglichst ins Final4 kommen und den Platz in der Bundesliga halten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Thüringen oder Neckarsulm haben mächtig aufgerüstet.

 

Ihr hattet auch unglaubliches Pech in Sachen Verletzungen.

Stimmt. Bietigheim hatte keine schwere Verletzung, wir hatten zu viele. Bietigheim hatte nicht die Belastung Champions League, auch das macht richtig was aus. Bei uns ist Dana Bleckmann im September weggebrochen, das hat uns sehr weh getan, wie war zu dem Zeitpunkt in einer sehr guten Form. Dazu kam später auch noch der Ausfall von Amelie Berger.

 

Wie sieht es mit der Verstärkung aus dem eigenen Nachwuchs aus?

Wir haben Lena Hausherr aus Zwickau zurückgeholt. Merle Albers wollte immer gerne ins Ausland, wir wollten sie behalten, sie sollte dritter Kreisläufer werden. Wir müssen jetzt wieder etwas warten, unsere B-Jugend ist ja wirklich stark.

 

Wie sehen die nächsten Monate aus?

Nach der WM in Slowenien vom 22. Juni bis 3. Juli habe ich eine Woche Urlaub auf Fuerteventura. Danach beginnt die Vorbereitung. Ich freue mich immer auf die neue Mannschaft, auf die neuen Spielerinnen, wir machen erstmals ein Kurztrainingslager in Winterberg, man ist nicht immer in der Halle, hat keinen Ergebnisdruck. Jetzt bin ich auf die Entscheidung in Sachen Champions League gespannt - ich denke schon, dass wir eine Chance haben.