Die Emotionen ließen ihr keine andere Wahl. Mitten in der Arena Leipzig, die BVB-Frauen hatten gerade das Endspiel beim Final Four mit 28:29 gegen den HC Leipzig verloren, wurden Sally Potockis Augen mächtig feucht, vergeblich versuchte sie die geballte Rührung runterzuschlucken. Sie sagt dem BVB Adieu und wechselt zu Bayer Leverkusen.

Es war Zeit, Adieu zu sagen, noch einmal lauschte sie den Sprechchören mit ihrem Namen, saugte den Beifall, die Liebesbekundungen auf. Vier Jahre hatte sie das schwarzgelbe Trikot getragen, „leider nur vier Jahre“ sagten eigentlich alle BVB-Fans. Sie hatten sie von der ersten Sekunde gemocht, respektiert, als sie im Sommer 2012 dem Lockruf nach Dortmund folgte. In Australien hatte die gebürtige Polin auch Basketball in der höchsten Klasse gespielt, dann hatte sie sich für den Handball entschieden. Nun aber bricht sie ihre Zelte bei der Borussia ab, in der neuen Saison spielt sie für Bayer Leverkusen.

„Es war eine sehr schöne Zeit beim BVB“ sagt sie, es klingt ein wenig so, als müsse sie sich selbst trösten. Direkt nach dem Final Four ist die gesamte Mannschaft für vier Tage nach Barcelona geflogen, sie wollten gemeinsam die „Seele baumeln lassen“. Die von Sally Potocki baumelte besonders, „ich habe schon gemerkt, das war es dann mit der Truppe“. Aber die Stunden in Spanien hätten dem Gemüt auch gutgetan, „ich konnte noch einmal in Ruhe Abschied nehmen“.

Andere Spielerinnen können ein Leben lang für einen Verein spielen und werden nie so richtig ins Herz geschlossen, die 27-Jährige eroberte es auf Anhieb. Sie scheute nun wirklich keinen Zweikampf, ließ bei den Tempogegenstößen die Gegenspielerinnen an sich abprallen, warf Tore, die eigentlich gar nicht gingen, wehrte sich bis zur letzten Sekunde mit aller Power gegen Niederlagen. Und ließ in der Abwehr die gegnerischen Angreiferinnen gern verzweifeln.

"Für Verein, Mannschaft und Fans"

Solche Spielerinnen werden geschätzt, sie dürfen auch manchmal einen Fehler mehr machen als andere. „Es war schön, die Wertschätzung der Fans zu spüren“, sagt sie. Denn das war ihr immer wichtig: „Du spielst für den Verein, für die Mannschaft, aber immer auch für die treuen Fans, die dich auch dann noch anfeuern, wenn es mal schlecht läuft.“

Klingt nach echter Wohlfühl-Oase, und da muss natürlich geklärt werden warum sie denn dann den Verein verlassen hat. „Blöd gelaufen“ sagt Sally Potocki. Mit Trainerin Ildiko Barna war sie sich eigentlich einig, dass sie bleiben wolle, „sie wollte mit mir weiterarbeiten“, aber bei der Vereinsführung habe sie sich dann „ein paar Tage zu spät gemeldet, dass ich doch bleiben möchte“. Da war offenbar eine Frist abgelaufen, und in diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Gehaltsvorstellungen zumindest am Anfang der Vertragsverhandlungen reichlich unterschiedlich waren.

Interessante Aufgabe

„Schon schade“, sagt sie im Rückblick. Aber Sally Potocki gehört nun auch nicht zu den jungen Damen, die solchen Entwicklungen lange nachtrauern. Das neue Ziel Bayer Leverkusen sei eine höchst interessante Aufgabe, mit der Trainerin Renate Wolf habe sie immer mal wieder Kontakt gehabt. Und auch wenn ihr Herz noch ein wenig schwarzgelb schlage, „es reizt mich wirklich, in einer neuen Umgebung noch einmal richtig anzupacken“.

Ob sie in Leverkusen eine Führungsrolle übernehmen solle? Sie gibt sich gewohnt moderat. Sie wolle ihr eigenes Spiel verbessern, natürlich der Mannschaft helfen, wie man es immer so schön sagt, „ich will auch meine Erfahrung nutzen, um meine eigene Leistung gut abzurufen“. Das sollte klappen, bei der Borussia ist ihr das zur Freude der Fans ja auch gelungen.

Gerd Strohmann - Foto: Ludewig (Ruhr Nachrichten)