Für Stella Kramer ist die laufende Europameisterschaft das erste große Turnier mit der Nationalmannschaft. Sie teilt sich die rechte Außenbahn mit Vereinskameradin Svenja Huber, die mit 13 Toren in zwei Spielen auf dem zweiten Rang der Torschützenliste liegt. So blieb Kramer bisher nur die Ersatzbank. Für die 27-Jährige kein Problem: "Ich werde weiter klar im Kopf bleiben, damit ich dann fit bin, wenn ich gebraucht werde", kündigt sie an. Im Interview spricht sie zudem über das Gefühl, die Nationalhymne auf dem Feld zu hören und ihre Doppelrolle bei Borussia Dortmund ...

Stella, die Europameisterschaft ist dein erstes großes Turnier. Wie erlebst du die Atmosphäre hier in Schweden?

Stella Kramer:
Es ist alles ganz neu und aufregend. Ich genieße jeden Moment und freue mich auf die weiteren Aufgaben - gerade natürlich auf das nächste Spiel gegen Polen. Dort wieder mit einlaufen zu dürfen, ist eine große Ehre für mich.

Gibt es aus den vergangenen Wochen mit der Nationalmannschaft ein Highlight, dass dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Stella Kramer:
Es gibt natürlich immer mehrere schöne Momente (überlegt kurz). In der Vorbereitung war es natürlich das Spiel gegen Schweden, das wir noch gedreht habe. Dort konnte ich spielen und zeigen, was ich draufhabe. Das war natürlich super. Hier bei der EM war das erste Spiel gegen die Niederlande großartig und dass wir das noch gepackt haben. Wir sind die ganze Zeit drangeblieben und alle - egal, auf welcher Position - sind drangeblieben und haben mitgefiebert.

Kannst du kurz beschreiben, was das für ein Gefühl ist, in die Arena einzulaufen, die Nationalhymne zu wissen und dann zu wissen: "Ich spiele jetzt bei einer Europameisterschaft"?

Stella Kramer:
Das ist unglaublich! Es fängt schon an zu kribbeln, wenn man noch draußen steht und man freut sich, gleich einzulaufen. Das schönste ist aber eigentlich die Zeit bei der Hymne. Wenn die zu Ende ist, kneifen wir uns nochmal alle und rütteln uns - das ist einfach schön und man fühlt sich zusammengehörig. Das macht eine große Freude. 

Svenja Huber spielt bislang ein starkes Turnier. Wie gehst du damit um, dass du nur die Nummer Zwei auf Rechtsaußen bist?

Stella Kramer:
Das ist überhaupt nicht schwierig, denn ich freue mich, überhaupt dabei zu sein und zur Mannschaft zu gehören. Ich werde weiter klar im Kopf bleiben, damit ich dann fit bin, wenn ich gebraucht werde. Für mich ist es vielleicht ein kleiner Vorteil, dass ich die Situation bereits aus dem Verein kenne. Wir spielen auch dort zusammen und sind ein gutes Team. Davon können wir nur profitieren und ich hoffe daher auch, dass ich nicht aus einem bösen Grund gebraucht werde, sondern aus einem schönen Grund und ich dann meinen Teil auf dem Spielfeld beitragen kann.

Während Svenja neu in Dortmund ist, läufst du schon seit 2009 für den Verein auf, hast einen Bundesligaabstieg und einen Bundesligaaufstieg mitgemacht. Was bedeutet dir der Klub?

Stella Kramer:
Es ist meine Heimat geworden und es ist etwas ganz besonderes, für diesen Verein zu spielen und auch zu arbeiten. Ich bin ja quasi auf zwei Seiten dabei. Die Stimmung ist prima, die Fans sind toll, die Region ist super - gerade für mich persönlich, weil ich nicht von so weit weg komme. Ich fühle mich dort einfach wohl und das ist auch der ausschlaggebende Grund, warum ich nicht gegangen bin - und das auch nicht vorhabe (lacht).

Was genau sind deine - beruflichen, nicht handballerischen - Aufgaben bei Borussia?

Stella Kramer:
Ich habe schon während meines Studiums an der RuhrUniversität Bochum als studentische Hilfskraft im Marketing und Vertrieb der Fußballer von Borussia Dortmund gearbeitet. Das habe ich beibehalten und habe dort jetzt eine Festanstellung. Ich bin zudem im ersten Jahr für die Fußballschule zuständig und organisiere ganz viele Ferienangebote für Kinder und vermarkte diese. Es macht sehr viel Spaß

Sprich: Du bist ein Fan vom eigenen Verein?

Stella Kramer:
(überlegt) Man muss auch so ein bisschen Abstand halten. Wenn man alles nur mit der schwarz-gelben Brille sieht, ist es auch nicht so perfekt. Sympathie und Begeisterung sollte man schon dafür haben und in einer gewissen Form für den Verein leben, das stimmt natürlich. Es ist auf jeden Fall mehr als eine "Ich arbeite da nur"-Haltung; die würde nicht funktionieren.

Wie wird der Handball im Verein wahrgenommen?

Stella Kramer:
Er steht natürlich in Schatten des Fußballs und ist ein ganz, ganz kleiner Bereich - allein, wenn man es von der Personalstruktur in der Organisation anguckt. Wir haben viele Ehrenamtliche im Handball und nur ein, zwei Festangestellte. Daher darf und kann man Fußball und Handball nicht vergleichen, aber das muss man auch nicht. die Abteilung gehört trotzdem zum Verein, wie zum Beispiel auch Tischtennis - und obwohl der Fußball so groß ist, werde ich immer angesprochen. Jeder weiß Bescheid, von Dr. Rauball bis zum kleinsten Mitarbeiter und sie sind uns Handballern alle wohlgesonnen.

Mit der Teilnahme an der EM geht nun ein erster Traum für dich in Erfüllung. Welches Ziel hast du als nächstes?

Stella Kramer:
Erstmal bin ich im Hier und Jetzt und freue mich einfach, dass ich dabei bin. Ich male mir jetzt gerade noch keine weiteren Ziele aus. Ich denke von Spiel zu Spiel und hoffe, dass wir einfach noch mehr Spiele haben werden als nur noch das gegen Polen morgen - und was dann kommt, das kommt. 

HBF - Foto: Sascha Klahn